Wann wieder schwanger nach Fehlgeburt
Warum sollten Sie nach einer Fehlgeburt warten, bevor Sie wieder schwanger werden? – Ein Fall aus meiner Praxis
Eine Fehlgeburt trifft Menschen an einem Punkt, an dem sie voller Hoffnung waren. Man fühlt sich plötzlich leer, schuldig, verwirrt – und oft sehr allein. Und irgendwann tauchen Fragen auf, die so viele beschäftigen. Zwei der häufigsten Fragen, die ich in meiner Praxis höre, sind:
Wann kann ich wieder schwanger werden nach einer Fehlgeburt?
Wie schaffe ich es, mich wieder auf eine Schwangerschaft einzulassen? Ich habe so große Angst, dass es wieder passiert!?!
Die Antwort ist sehr individuell – körperlich wie emotional. In diesem Artikel möchte ich Ihnen Orientierung geben, die medizinische Faktenlage erklären und gleichzeitig anhand eines Beispiels aus meiner Praxis einfühlsam auf die seelische Seite eingehen.
Wann wieder schwanger nach Fehlgeburt? – Medizinische Empfehlungen
Die empfohlene Wartezeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom Schwangerschaftszeitpunkt und dem körperlichen Verlauf.
1. Nach einer frühen Fehlgeburt (bis ca. 12. SSW)
Nach frühen Fehlgeburten ist eine neue Schwangerschaft oft bereits nach der nächsten Periode möglich. Der Körper regeneriert sich meist schnell.
Warum empfehlen viele Ärztinnen und Ärzte, eine Menstruation abzuwarten?
- Der Zyklus stabilisiert sich.
- Der Zeitpunkt einer erneuten Schwangerschaft lässt sich besser bestimmen.
- Der Körper kann den hormonellen Übergang sauber abschließen.
2. Nach einer Ausschabung (Curettage)
Nach diesem Eingriff wird häufig geraten, 1–2 normale Blutungen abzuwarten, damit sich die Gebärmutterschleimhaut vollständig regenerieren kann.
3. Nach einer späteren Fehlgeburt
War die Schwangerschaft weiter fortgeschritten, benötigt der Körper mehr Heilungszeit. Die Empfehlung lautet häufig:
ca. drei Monate warten, abhängig vom individuellen Verlauf.
Was sagen aktuelle Studien?
Lange Zeit galt die WHO-Empfehlung, sechs Monate zu warten. Inzwischen zeigt die Forschung jedoch klar:
👉 Eine schnellere erneute Schwangerschaft erhöht das Risiko nicht.
👉 Viele Frauen haben sogar bessere Chancen, wenn sie früher – innerhalb von 6 Monaten – wieder schwanger werden.
Der Abstand muss also nicht zwingend lang sein – wichtig ist, dass Körper und Seele bereit sind.
Emotionale Verarbeitung: Der persönliche Zeitpunkt ist entscheidend
Die Frage „Wann wieder schwanger nach Fehlgeburt?“ betrifft nicht nur den Körper. Sie ist oft eng verknüpft mit emotionalen Prozessen.
Hier möchte ich Ihnen ein anonymisiertes Beispiel aus meiner Praxis darstellen.
Fallbeispiel aus meiner Praxis: Wenn Angst und Kontrolle den Weg blockieren
Kathrin ( Name geändert) hatte Endometriose und Adenomyose. Sie war überglücklich, endlich schwanger geworden zu sein. In der 7. Schwangerschaftswoche sah sie einmal das Herz schlagen. Dann bekam sie Schmierblutungen und ahnte das Schlimmste.
Der Arzt stellte eine Missed Abortion fest. Der Embryo hatte sich nur wenig weiterentwickelt und war dann verstorben.
Der bewusste Abschied – ein selbstbestimmter Abgang
Kathrin entschied sich für einen medikamentösen Abgang.
Warum?
Weil sie die Kontrolle zurückhaben wollte. Sie wollte den Abgang bewusst erleben, ihren Embryo würdigen, ihn gebären, auffangen, ansehen und behutsam reinigen.
Sie begrub ihn später im Lieblingspark und legte einen von ihr und ihrem Mann bemalten Stein darauf.
Sie ließ sich mehrere Wochen krankschreiben, um Raum für ihre Gefühle zu haben. Eigentlich hatte sie alles richtig gemacht.
Drei Monate später: Körperlich bereit – emotional blockiert
Nach drei Monaten wollte sie weitermachen. Die medizinisch empfohlene Wartezeit war vorbei, ihr Zyklus hatte sich stabilisiert.
Doch innerlich war da noch so viel:
- Versagensgefühle
- Kontrollverlust
- Schuldgefühle
- Ungerechtigkeit („Er war da … und dann wurde er mir weggenommen.“)
- Verlustangst
- Unruhe (im Herzen und Bauch)
- Angst, dass es wieder passiert
- Neid auf die schwangere Nichte
Sie stellte mir viele Fragen:
„Bin ich wirklich bereit? Ich kann das nicht mit Sicherheit spüren.“
„Will ich nur wieder schwanger werden, um den Verlust zu kompensieren?“
„Wie überstehe ich die ersten 12 Wochen? Ich habe jetzt schon Angst.“
Während sie sprach, spürte ich keine Trauer. Ich spürte vielmehr eine emotionale Mauer.
Sie war kontrolliert, schützend, hart – und dahinter lag eine Leere.
Ich war mir nicht sicher, ob ich sie überhaupt erreichen würde.
Der Verlust war nicht vollständig verarbeitet
Wenn jemand große Angst vor einer erneuten Schwangerschaft hat, ist oft ein Teil des vorangegangenen Verlustes noch unverarbeitet.
Bei Kathrin war es schwer, an diesen Kern zu kommen. Sie stand hinter ihrer Schutzmauer.
Ich fragte sie, welche Situation sich heute noch schlimm anfühlt. Sie erwähnte nur einen Moment im Krankenhaus, als sie so heftig weinte wie nie zuvor. Ihr ganzer Körper weinte. Sie war damals wie in Schockstarre.
Doch auch während sie erzählte, blieb sie emotional distanziert.
Eine Emotion schien noch keinen Ausdruck gefunden zu haben – etwas wartete darauf, „abgeholt“ zu werden.
Ich vermutete: Kontrollverlust.
Denn der Zusammenbruch im Krankenhaus war für sie nicht kontrollierbar – für eine sehr kontrollierte Person ein Albtraum.
EMDR-Einsatz: Zugang zur blockierten Emotion
Über reines Gespräch und Innehalten gelangten wir nicht an das Gefühl heran.
Also schlug ich vor, mit EMDR zu arbeiten.
Sie fühlte sich stabil genug und war einverstanden.
Sie spürte Unruhe im Herzen und Bauch.
Wir begannen mit der taktilen EMDR-Stimulation.
Sie hatte ein inneres Bild von sich selbst – die „damalige Kathrin“.
Ich bat sie, dieser Kathrin in die Augen zu schauen und ihren Körper wahrzunehmen. Dadurch kam sie zum ersten Mal wirklich in Kontakt mit ihren Gefühlen.
EMDR wirkt oft wie ein „Gefühlssauger“ – sobald man dem limbischen System nur ein bisschen von dem zeigt, was in einem steckt, holt es den Rest an die Oberfläche.
Kathrin begann heftig zu weinen.
Ich fragte vorher, ob Berührung okay sei, und legte eine Hand auf ihren Rücken und eine auf ihre Schulter.
Ich zeigte ihr damit:
- Du bist nicht allein.
- Ich bin ganz bei dir.
- Wir schaffen das zusammen.
- Du bist in Sicherheit.
- Du darfst alles rauslassen.
Ihr Körper spannte sich stark an, besonders Hände und Schultern.
Ich lud sie ein, einfach nur wahrzunehmen – ohne dagegen anzukämpfen.
„Habe Vertrauen zu deinem Körper. Er erinnert sich gerade. Und jetzt, in der Sicherheit, kann er sich regulieren. Gib ihm Zeit. Er kann das. Ich bleibe ganz bei Dir“
Nach kurzer Zeit begann sich ihr Körper zu entspannen.
Ihre Atmung wurde ruhiger.
Das Weinen ließ nach.
Die Unruhe im Bauch und Herzen verschwand.
Die Entspannung vertiefte sich, und sie öffnete langsam die Augen.
Sie war erstaunt – und wir beide waren erleichtert.
Sie schaute innerlich wieder auf die Situation im Krankenhaus. Die Situation fühlte sich emotional entladen.
Sie hatte ihre Kontrolle abgegeben, diesmal mit heilsamer Wirkung.
Die Wirkung nach der EMDR-Sitzung
Zwei Wochen später sah ich sie wieder. Sie berichtete:
- starke Müdigkeit nach der Sitzung (normal)
- Versagensgefühle: kaum noch spürbar
- Schuldgefühle: kaum noch spürbar
- Angst vor erneutem Verlust: deutlich reduziert
Wir arbeiteten in der Sitzung noch mit EMDR an dem Neidgefühl gegenüber ihrer schwangeren Nichte.
Danach konnte sie ganz klar spüren:
„Ich bin bereit für einen weiteren Versuch. Ich bin bereit für eine Schwangerschaft.“
„ich kann mir jetzt gut vorstellen, meine Nichte zu treffen“
Hilfreiche Fragen auf dem Weg zurück in die Zuversicht
Viele Menschen spüren intuitiv, ob sie innerlich bereit sind – andere benötigen mehr Zeit.
Hilfreiche Fragen können sein:
- Fühle ich mich emotional stabil genug für eine neue Schwangerschaft?
- Habe ich ausreichend Raum für meine Gefühle gehabt?
- Habe ich die Kraft, mit beiden Ausgangsmöglichkeiten umzugehen – gelungene Schwangerschaft oder erneutem Verlust?
Es gibt kein „richtiges“ Tempo.
Nur das, das sich für Sie gut anfühlt.
Dem Sternenkind einen Platz geben – damit das nächste Kind frei kommen kann
Ein weiterer Grund, warum Sie warten sollen, bevor Sie nach Fehlgeburt wieder schwanger werden: Es ist sehr wichtig, dass ein neues Kind nicht als Ersatz für das verstorbene Sternenkind gesehen wird. Das unbewusstes Gefühl, jemanden ersetzen zu müssen, kann eine tiefe psychische Belastung hinterlassen und das Leben des folgenden Kindes nachhaltig beeinflussen und bremsen. Ich habe das Thema öfters in meiner Praxis mit Patientinnen verarbeiten müssen.
Geben Sie Ihrem Sternenkind einen liebevollen Platz in Ihrer Familie – zum Beispiel Platz 3, wenn es das dritte Kind war. Bewahren Sie ihr Sternenkind im Herzen, so dass es unvergessen bleibt. Auf diese Weise kann das nächste Kind – hier das vierte – für sich selbst in die Familie kommen – nicht, um ein anderes Kind zu ersetzen.
Jedes Kind, unabhängig davon, wie kurz es gelebt hat, hat das Recht, gesehen, geachtet und geliebt zu werden. Die Bedeutung dieser Anerkennung für die ganze Familie und ihre seelische Gesundheit zeigt sich immer wieder in Familienaufstellungen.
Nachkontrolle: Warum ein ärztliches Gespräch wichtig ist
Ein Kontrolltermin kann Klarheit und Sicherheit geben. Dort wird besprochen:
- ob körperlich alles gut abgeheilt ist
- ob es Hinweise auf eine Ursache gab
- ob besondere Empfehlungen für eine Folgeschwangerschaft sinnvoll sind
In den meisten Fällen wird keine spezifische Ursache gefunden – und die Chancen auf eine gesunde Folgeschwangerschaft sind sehr hoch.
Fazit: Wann wieder schwanger nach Fehlgeburt? – Körper und Gefühl weisen den Weg
Eine Fehlgeburt ist ein Verlust, der Zeit braucht. Doch sie nimmt nicht die Fähigkeit, erneut Hoffnung zu spüren.
Der richtige Zeitpunkt für eine neue Schwangerschaft ist eine Mischung aus:
- medizinischer Erholung
- emotionaler Bereitschaft
- dem eigenen Bauchgefühl
Wenn beides – Körper und Herz – bereit sind, ist der Moment gekommen, nach vorne zu schauen.
Brauchen Sie psychologische Unterstützung, um sich für eine Folgeschwangerschaft bereit zu fühlen?
Auf meiner Webseite unter Trauerbewältigung erfahren Sie, welche Art von Verlusten ich begleite – ob traumatische oder traurige.
Mit EMDR und inneren Bildern geht die Verarbeitung oft deutlich schneller, als wenn man nur darüber spricht.
Wenn Sie nicht lange warten können, kontaktieren Sie mich gern.
Ich helfe Ihnen, den Verlust oder das Trauma zu verarbeiten, damit Sie bald wieder mit Zuversicht – und Ihrem Sternenkind im Herzen – spüren können, wann Sie wieder Schwanger nach Fehlgeburt sein wollen.

